Das Bahntagebuch

Nun zu einem Thema, das die meisten kennen sollten und sogar schon als deutscher Volkssport bezeichnet werden könnte: Bahnfahren bzw. sich über alles beschweren, was nicht funktioniert.

Zu mir: ich bin abhängig von der Bahn, da ich bis vor Kurzem täglich zu meinem Studienort Marburg pendeln musste und es nicht einsah, monatlich hunderte Euros für ein eigenes Auto auszugeben. Da ich zu wichtigen Klausurterminen mit dem Familienauto fahren konnte, bedurfte es dem auch nicht, denn zu spät zu einer regulären Vorlesung zu kommen ist ja kein Problem. Da ich aber nun in Karlsruhe wohne und freitags direkt nach den Vorlesungen ein langer Heimweg ansteht, versuche ich nachvollziehbarerweise, Termine in z.B. Marburg so zu legen, dass ich nun doch abhängig vom Wohlwollen der Bahn bin.

Trotz großzügig gelegter Zeitpuffer von mindestens einer Stunde ist es mir zuweilen nicht möglich, manchen Termin wahrzunehmen. Als Beispiel möchte ich hierzu den letzten Freitag so ziemlich jede einzelne Reise anführen, die mal wieder von Verspätungen geplagt waren.

Von Ernsthausen nach Karlsruhe (Samstag, den 14.10.2023)

Dieser Samstag war sehr wichtig, da der Umzug anstand und sich dieser Termin nicht verschieben ließ. Der Plan sah vor, mit dem Auto nach Marburg zu fahren (da die Bahnstrecke sowie die Straße gesperrt waren, war alleine das schon ein Abenteuer), um dann um 8:04 mit dem ICE 1573 nach Karlsruhe und um 10:50 vom Karlsruher Hauptbahnhof zum Wohnheim zu fahren.

Wie es nicht anders sein kann ist der Zug natürlich ausgefallen. Ich hatte das Glück, dass mich das Transportunternehmen im Transporter direkt mit nach Karlsruhe nahm und wir so zumindest die Möbel ausladen konnten. Meine beiden Umzugshelfer hingegen durften den Rest des Tages die volle Bahn-Experience geniessen und sich fünf weitere Stunden durch Südhessen und Frankfurt hindurch zuerst nach Mannheim und dann nach Karlsruhe durchschlagen.

Da der ICE ausfiel, zog es die beiden zuerst in den RE 30 nach Frankfurt. Dem Regionalexpress ging jedoch nach strammen 15 Minuten Fahrtzeit in Giessen die Luft aus und es wurde die Mitteilung gemacht, Friedberg sei dicht. Jeder, der die Strecke kennt, weiß, wie sehr belastet sie ist und so dauerte es auch nicht lange, bis sich hunderte gestrandete Bahnfreunde am Gleis versammelten und gemeinsam in die Röhre guckten. Weil es keine Anzeichen von Besserung gab, ging es also im nächstbesten Taxi nach Frankfurt, was natürlich entsprechend teuer war. Dort angekommen fiel der Direktzug nach Karlsruhe aus und so ging es erst zum Fernbahnhof Flughafen mit der Hoffnung, das Ziel mit dem ICE nach Basel erreichen zu können (er kam nicht), dann wieder zurück zum Hauptbahnhof und von da über Mannheim nach Karlsruhe mit saftigen 4 Stunden Verspätung.

Von den €25.40 Fahrtkosten wurden uns von der Bahn im Hintergrund des Totalausfalls aller Züge in diesem Streckenabschnitt großzügige 50% zurückerstattet und von der Taxifahrt selbstverständlich nichts, da wir ja noch am selben Tag ankamen.

Von Karlsruhe nach Ernsthausen (Freitag, den 20.10.2023)

Am Mittwoch erhielt ich eine E-Mail, die mir die freudige Nachricht der Fertigstellung meines Bachelorzeugnisses mitsamt möglichem Abholtermin am Freitag bis 11:00 Uhr überbrachte. Da ich sowieso aufgrund einiger vergessener Sachen plante, an diesem Tag nach Hause zu fahren, buchte ich das früheste Ticket für den ICE 1672, der von 7:02 in Karlsruhe abfahren und um 9:51 Marburg erreichen sollte. Nach pünktlicher Abfahrt um 7:05 (drei Minuten Verspätung sind keine Verspätung bei der Bahn) kamen wir pünktlich um 8:53 in Frankfurt an.

Da Frankfurt ein Kopfbahnhof ist und der Zug dort wenden muss, ist die Standzeit erfahrungsgemäß recht hoch, weshalb ich erst nach 10 Minuten anfing, zu befürchten, es könne nun doch länger dauern. Da ich ca. 45 Minuten Puffer hatte, war ich noch ruhig, was aber nach der Bekanntgabe eines technischen Problems schnell in Panik umschlug.

So standen wir erst 15, dann 20, 25 und schließlich 50 Minuten ohne weitere Informationen auf dem Gleis. Da der einberechnete Zeitpuffer nun überschritten war, blieb mir nichts anderes übrig, als zu beten, den Bus um 10:42 noch erreichen zu können.

Letztendlich kamen wir um 10:40 an und konnte nur noch den losfahrenden Bus sehen, nachdem ich wie ein Wahnsinniger zum Busbahnhof gesprintet bin. Was nun, wo der nächste Bus doch erst um 11:10 kommt und das Büro laut Mail nur bis 11:00 Uhr besetzt ist? Ich rief dort an und eine nette Frau versicherte mir, noch bis 11:30 Uhr dort zu sein, sodass ich meinen Termin noch wahrnehmen und das Zeugnis abholen konnte. Ob das nun als altruistische Tat der Büroangestellten oder Zufall oder was auch immer zu betiteln ist, ist erst mal egal. Gelernt habe ich, dass selbst eine Stunde nicht ausreicht und man für wichtige Termine am Besten ganz auf die Bahn verzichtet oder einen Tag früher fährt.

Von Ernsthausen nach Karlsruhe (Sonntag, den 22.10.2023)

Wer von A nach B fährt muss auch irgendwie wieder von B nach A kommen. Dieses mal kam ich ohne allzu große Zwischenfälle am Ziel an, der ICE fiel jedoch selbstverständlich wieder aus und der Ersatzzug verspätete sich um eine halbe Stunde. Zusätzlich wurde mein Einstieg in den Zug von einem freundlichen Bahnmitarbeiter beschleunigt, der mich mit einem Tritt in den Arsch und dem Hinweis, ich solle nicht so lahm sein und mich beeilen, die ICE-Treppe hinaufbeförderte. Vorbildlich, dass das Personal so auf Pünktlichkeit gedrillt ist, dass einem nicht zugestanden wird, den Koffer von der rechten in die linke Hand aufgrund eines immer noch schmerzenden Knochenbruchs umzupacken.

Damit war meine Reservierung auch aufgehoben
Irgendwie ist jeder Zug in Dauerreparatur

Von Karlsruhe nach Ernsthausen (Freitag, den 27.10.2023)

Ich sitze gerade in einer Dönerbude und warte auf einen Dönerteller, weil die Bahn es mal wieder nicht geschissen gekriegt, ihre Züge auch nur halbwegs verlässlich von A nach B zu schicken. Der Direkt-ICE von Karlsruhe nach Marburg ist zwar der Schnellste, fällt aber nach meinen Erfahrungen (n=7, den Standardfehler kann man sich selbst ausrechnen) in ca. 50% der Fälle aus. Da ich nach drei Vorlesungen keine Lust mehr hatte, mich mit Ausfällen herumzuschlagen und meine Stimmung sowieso schon gereizt war, habe ich den TGV 9583 um 14:54 von Karlsruhe nach Frankfurt gebucht, von wo aus ich eigentlich wie immer nach der Ankunft um 15:59 mit der HLB 98 um 16:20 nach Marburg und dann um 17:29 nach Ernsthausen fahren wollte.

Lustig war, dass der Direktzug von Karlsruhe nach Marburg übrigens tatsächlich ausgefallen ist und der TGV nach Frankfurt daher die beste Option war.

Der Spaß fing schon mal damit an, dass der TGV erst 15, dann 20 und schliesslich 35 Minuten Verspätung hatte. Das war doof, weil ich so frühestens um 19:00 anstatt 18:00 Uhr nach Hause kommen würde. So bin ich um 16:40 in Frankfurt angekommen und wollte den (übrigens immer überfüllten) RE 30 nach Marburg nehmen, sodass ich zumindest um 18:15 Marburg erreichen und mit dem Zug um 18:29 um 19:00 Uhr zuhause sein kann.

Es ist also so gekommen, wie es kommen musste, und der RE 30 ist ausgefallen. Ist natürlich schlecht, aber die Bahn hatte an diesem Tag wohl ihre Spendierhosen angezogen und 18 Minuten später ist ein weiterer RE 30 verfügbar gewesen. Dieser ist um 17:19 abgefahren, sodass ich mit einer Fahrtzeit von genau einer Stunde eigentlich meinen Anschlusszug noch hätte erreichen können sollen. Also fahren wir los und in den ersten 20 Minuten läuft alles wie am Schnürchen, bis wir im Nirgendwo gehalten und so die nächsten Minuten verbracht haben.

Das ist eine ganze Weile so weiter gegangen und wie befürchtet sind wir erst um 18:31 in Marburg angekommen. Weil mein Zug so gut wie immer einige Minuten zu spät losfährt, habe ich mich behutlich durch die auf den Treppen stehenden Menschenmengen durchgepresst und habe leider sehen müssen, wie mein Anschlusszug zum ersten Mal in der Geschichte pünktlich abgefahren ist. Weil normalerweise viele Leute vom RE 30 in meinen Anschlusszug umsteigen müssen, haben also nun 15 Personen dagestanden.

Besonders fair, gerechtfertigt und serviceorientiert von der Bahn finde ich es, ihrer Kundschaft keine 2 Minuten Verspätung aufbürgen zu wollen und anstatt auf einen bekannten Zug zu warten, den viele zum Umsteigen nutzen, einfach trotzdem loszufahren. Wenn nur alle Unternehmen sich an der Bahn ein Vorbild nähmen, wäre die Welt mit Sicherheit ein anderer Ort.

Zum Glück hab ich den nicht genommen
Ein Klassiker
Ersatzzug war heillos überfüllt, Anschlusszug ist um 18:29 abgefahren